T
O T L A C H
ich
sah den greis, dessen herz noch vier, drei, zwei und ein allerletztes
mal pochte - bis zum allerletzten atemzug, wie bei einer dampfmaschine
- aber im spielzeug-format -, deren pleuelstangen ausrotieren; bis der
stillstand erreicht sei. ich sah den greis, der auf der schwelle des todes
noch eine winzige zeitspanne sich auflehnte, der jedoch die knöcherne
hand des todes nicht mehr von sich reißen konnte und nichts mehr
denken, wissen, ahnen, fühlen, nichts mehr zu erhoffen vermochte,
der sich selbst nun mittels seines astralkörpers von außen
betrachtete, ja sich tot sah, todesmatt abschied von allem nahm, sich
selbst ein allerletztes mal erkannte; bevor er die hülle seines leibes
gevatter tod überließ.
plötzlich mußte ich lauthals lachen. ach wie lange habe ich
nicht mehr so unvermittelt gelacht. nun konnte ich einfach nicht anders.
eine stelle in mir lachte - unvermittelt; wie einem beim zwiebelschälen
die tränen kommen. nein, falsch! das wäre nur rein physikalisch.
eher so, als ob man einen film sähe, womöglich gar der reine
kitsch, daß es sogar der blinde mit dem krückstock merke, der
nun wiederum zufällig an die hohle tonne gestoßen sei, welche
eine kettenreaktion auslöste; zuletzt dem tauben voll vors schienbein
knallte. so etwa, ohne vorwarnung, käme man ins lachen oder weinen
- das doch oftmals so nah beieinander liege. bis letztendlich dicke tränen
kullerten. bis man sich schließlich nicht mehr unter kontrolle habe.
wo der ganze körper in bewegung gerate; man lauthals jauchze, schluchze.
bis sich dieser tränenfluß zu sturzbächen ausweitete.
bis diese den bauch erreichen, der sodann seinerseits anfange zu flattern,
laut zu blubbern. bis es allmählich unangenehm schmerze. wohl weil
ja nun das sonnengeflecht die verlorene mitte, eine verspannung, weiterleite.
wo man die hände vergeblich gegen den bauch presse - und die augen
salzig geworden sind, so daß auch sie anfangen unangenehm zu schmerzen.
vom film selbst, dem vermeintlichen auslöser, wäre schon längst
nichts mehr wahrzunehmen. weil die augen überschwemmt wurden, vom
bann - der endlich gebrochen war. so bedarf es gar keines erbärmlichen
grundes, zu heulen - wie ein schoßhund, der bei vollmond wieder
seine wolfnatur spüre.
ÄSTHETIK
DES SCHEITERNS - am rand der wörter ( buch 3, 90 seiten #84 ) ©
dietmar wegewitz
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