totentanz |
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text-fragmente dietmar wegewitz |
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T O T E N T A N Z was
auch immer an nachbildern in den köpfen als ein bezeichnendes ding sich
darstelle, mir ist in relation zur menge an unbekanntem und namenlosem
die vorstellung suspekt, daß im laufe der jahrtausende nur vereinzelte
exemplare es zu einer gewissen größe gebracht haben sollen - um in der
geschichte bleibende werte zu verkörpern. die geschichte großer un-taten!
nichts darüber hinaus? was an besonderem im zeitraum der gedenktage als
nachwelt uns überliefert sei? es
fing damit an, daß mein blick am 3. 2. 1985 im ksta wieder mal die todesanzeigen
abtastete und ich sodann das wort "weiser" aus einer kleinen
todesanzeige herausschnitt. bereits früher fand ich dort meine ersten
wortnamen. ich hatte mir gedacht: "da schau her, da gucke in zukunft
gezielt hin. das wort volk besagt anderes als der name volk. die größe, so dachte ich weiterhin, "größe allein ist kein argument". wenn es sich darum drehe, ob ein mensch ein "großer mensch" genannt werden darf. ob nicht seit anbeginn gerade die größe eines volkes vom in allen geschichtsbüchern unterschlagenen namenlosen, einzig und allein vom volk abhängig sei? ergo: ob's nicht einen besseren ruf, einen nachruf verdient habe, das volk? es nicht allein den lippenbekenntnis-rhetorikern, nicht den politikern und festtagsrednern überlassen, ob und wann die rede "im namen des volkes" angebracht sei. ein "weiser", dachte ich, ein weiser werde es tunlichst meiden, solcher wortkunst sich hochtrabend zu befleißigen. dürfen wir es politikern überlassen, sich emporzuschwingen, getrieben von der geilheit, ins buch der geschichte aufgenommen zu sein? dürfen wir es ihnen gestatten, daß zuviele wörter zu hülsen werden? NIE WIEDER doch zurück zum namenlosen: "NOCH NIE, NIE WIEDER", lautet ein ideogramm; das mein augenmerk treffend bezeichne. ein zweites: "LAUTER LETZTE TAGE". ein drittes: "RUHETAGE". ich fand jüngst eine alte zeitung vom 11.10.55 ( nr.236; s.15 ) - mit der todesanzeige eines herrn wilhelm "RUHE". alles nur zufall ? 1986 fand ich im container mehrere päckchen glasnegative; mit fünf wortnamen und gestapelten glasnegativen enstand ein kleines objekt, worin ( mangels öffentlichkeit ) also kein status der erhabenheit ( von bedeutung ) enthalten, sondern nur die struktur von wahrnehmung dargestellt sei. die 5 namen ( weiser, volk, blick, stille und stiller ) sprechen - u.a. - für sich selbst: sui generis. hier auftauchende gedanken ( "arbeiten auf papier" ), sie mögen allem "NIE WIEDER" als falle in den weg gelegt sein; was man - im kleinen oder großen - zu erinnern, zu bewältigen fähig sei. die furchtbarste form deutscher gründlichkeit, die ach so pedantisch geführten "dokumente der täter des holocaust", sollen uns für alle zeiten mahnung genug sein, daß es "NIE WIEDER" geschehe, das grauen mit "fleiß und ordnung" zu verrichten. dies allein schloß mit ein, bei meiner <fundsammlung> der todesanzeigen, der wortnamen, nicht um vollständigkeit mich zu bemühen. nur ja keine vollendung! es war so, daß ich in der zeit einer schwersten persönlichen krise dennoch nie aufhörte, aufmerksam zu sein. ja besonders in dieser zeit war es mir so ernst wie nie: das sinnarme tätigsein, im prozeß sein. den kreis habe ich dann bewußt nach 9 jahren geschlossen. denn die zahl zehn hätte einen zu hohen symbolcharakter. was nicht heißen soll, daß ich fortan nicht aufmerksam bin.
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