ohne
die fünf sinne keine sinnliche erfahrung. ohne diese oder jene erfahrung
macht das was man anschauen kann gar keinen sinn.
der
blinde ohne blindenstock könnte dem lahmen ein gehilfe sein. der
lahme wiederum dürfte dem blinden die sichtbare welt zeigen. was,
wenn beide einem tauben über den weg liefen, der soeben in der betrachtung
eines abgrundes versunken sei? somit sähe der taube die beiden trotz
augenlicht nicht kommen; er könne den blinden und den lahmen nur
wahrnehmen, wenn er selbst mit seinem rücken zum abgrund stünde,
sich abwende, von seinem vorhaben; erst dann sähe er, was er nicht
kommen hören kann. der blinde wisse nicht, daß dort dieser abgrund
sei. er wisse nicht, daß der lahme, der ihn führe, jenen abgrund
nicht kenne. da der lahme sich ganz auf den blinden stütze und der
blinde der aufmerksamkeit des lahmen vertraue, gälte beider aufmerksamkeit
einzig der schrittweisen fortbewegung. der vorteil des blinden sei,
daß er sich auch ohne den lahmen bewegen könne, denn wäre er allein
auf sich selbst gestellt, gäbe es den blindenstock, mit dessen hilfe
er sich orientiere. falls ein hindernis nahe, bemerke er es, falls
ein anderer mensch sich nähere, könne er diesen dank des ausgeprägten
gehörsinns schon sehr früh bemerken, ja oft weitaus früher als den
normal sehenden leitet ihn die innere stimme und die erfahrung.
nun
sind der lahme und der blinde in ein gespräch verstrickt.
so
gehen sie geradewegs auf den abgrund zu. der taube hört weder, noch
sieht er sie kommen. selbst wenn der taube sich abwende vom abgrund,
vermag er doch nicht sie zu warnen. falls er wild gestikuliere,
in gebärdensprache rede, kann doch der blinde ihn nicht sehen. und
der lahme sieht nicht hin, da er nur auf den boden achte, um den
blinden nicht über eines der hindernisse zu führen - und sei es
ein kleiner stolperstein. der taube ist auch stumm. als er sich
just in den abgrund wirft, da schreit alles in ihm...
#B
als
letzte hoffnung bestünde wohl noch die möglichkeit, daß entweder
der blinde oder der lahme den abgrund kenne.
die
nutzbarkeit der erfahrung wäre in diesem fiktiven fall konkret überlebenswichtig.
der gehörlose sei ja mehr oder weniger freiwillig in diesen abgrund
gesprungen. käme der blinde mit dem lahmen am abgrund ins straucheln,
so werde er den lahmen mit in den abgrund reißen. sähe der lahme
den abgrund erst im letzten moment, so wüßte er doch nicht die balance
zu halten, da er sich auf den blinden stütze und der blinde wahrscheinlich
vorausgehe und sich mit den augen des lahmen fortbewege, zumal der
lahme vorausgehend sich nicht gut stützen und zugleich vorausschauen
könne. die sicht des lahmen sei jedoch durch den vorausgehenden
blinden stark eingeschränkt, zumal, wo er den körperkontakt zum
blinden dringend benötige, so werde er den abgrund viel zu spät
sehen. daß er den abgrund überhaupt sehe, vielleicht sogar sekundenbruchteile
bevor der blinde schon zu weit gegangen sei und ins fallen komme,
das sei besonders tragisch. denn im gleichen augenblick wisse er,
was komme, daß er gar keine chance mehr habe. diesen sturz zu überleben.
der blinde stürze wohl in ein ungewisses, wisse er doch nicht, wie
tief er fallen, daß er sterben werde. der lahme jedoch sehe genau,
daß sein letztes sekündlein geschlagen habe. er wisse, daß er schuldig
sei am tod des blinden. doch wahrscheinlich sind die gedanken in
diesem freien fall kein maßstab dafür, ob die gewißheit des todes
diese oder jene bilderstürme in einem kopf, in einer seele aufsteigen
ließe. dieser blinde habe immerhin den vorteil, noch die hoffnung
zu haben, daß er mit ein paar schrammen davonkäme, daß er nicht
so tief falle, daß unten ein gewässer sei. daß er in den wipfeln
eines baumes lande, mit ein paar knochenbrüchen davonkäme. der blinde
falle, der lahme auch. der blinde wisse nicht wohin. wäre der abgrund
nicht allzu tief - und er überlebe diesen sturz -, wäre es eine
ironie des schicksals, diesen lahmen gestützt zu haben. da der blinde
nicht nur blind, sondern vielleicht auch gelähmt sei. wobei der
lahme sich vorher immerhin mit einer gehhilfe noch bewegen konnte,
mittels stock oder eines menschen. der blinde und der lahme wären
nicht tot, wenn der blinde dem lahmen nicht begegnet wäre. TRAGISCH!